Ab diesem Montag, den 12. Oktober, ist auf der ARD Mediathek die Doku zum Thema „Wo sind die modernen Männer“ verfügbar. Dort wird der Frage nachgegangen, wie es möglich ist, in der modernen Zeit Mann zu sein und Männlichkeit zu leben, ohne in patriarchale Strukturen, Rollen und Denkweisen zu verfallen. Das ist, wie der Film zeigt, gar nicht so einfach.
Die Denkmuster des Patriarchats umgeben uns oft unbemerkt und durchdringen jeden Aspekt der Gesellschaft. Unterschiedliche Eigenschaften werden den biologischen Geschlechtern sozial zugewiesen. Sodann werden bestimmte Eigenschaften in ihrem Nutzen für „die Gesellschaft“ unterschiedlich bewertet und nach besser und schlechter sortiert. Schlussendlich wird der einen Seite zugewiesen, die Defizite der anderen Seite auszugleichen. Gleichberechtigung ist das nicht.
Der kritische Männerforscher Christoph May kommt auch in dem Beitrag zu Wort: „Toxische Männlichkeit beschreibt Machtverhältnisse, Privilegien und strukturelle Gewalt, die durch männliche Schweigekulturen hervorgebracht werden. Von der katholischen Kirche bis Hollywood, von der FIFA bis zum DAX. Überall dort, wo Männer unter sich bleiben, entwickeln sich Monokulturen, die jede Diversität im Keim ersticken, die Gift sind für Geschlechtervielfalt, Gift für die unzähligen Varianten sozialer Beziehungen und Lebensformen. Kritische Männlichkeit wiederum will diese Männerbünde aufbrechen und die Kritik an Männern und Männlichkeit beschleunigen.“
Fraglich ist, inwieweit wir das durch Männergruppen erreichen, wie sie u.a. John Aigner anbietet. Das wird auch im Film diskutiert, und ich selbst sehe diese Art der Männergruppen eher kritisch. Für die arbeitsgemeinschaft mediation in karlsruhe e.V. organisiere ich am 5. Dezember einen Workshop zum Thema Toxische Männlichkeit mit Christoph May, zu dem alle Geschlechter und Identifikationen herzlich eingeladen sind. Das ganze findet in der Taoversity in der Karlsruher Oststadt statt. Ich bitte um frühzeitige Anmeldung, da wird coronabedingt nur eine begrenzte Teilnehmer*innenzahl zulassen können.
Naomi Snider fasst die psychologische Falle des Patriarchats zusammen, hier in einem Zitat aus dem Buch „Why does Patriarchy persists?“ Gilligan/Snider, 2018):
“I was struck by the way in which patriarchy – a heteronormative culture based on the supposed complementarity of men and women – rests on just such a system of mutual protection. Pressure is exerted on women to become the container into which men can project their disavowed emotions and need for care as well as their vulnerability. In order to remain the container for men’s vulnerability and dependence, women must relinquish their capacity to take care of themselves. And the idea of the powerful and invulnerable man becomes the container into which a woman can pour all the desires and capacities that she has been pressed to disavow. This explains why any resistance or refusal on the part of a man or a woman to be these containers, or for that matter to fit themselves into the gender binary, triggers a backlash, the force of which continues to take us by surprise.”
Im Familienrecht haben wir täglich mit Zuweisungen und Grundannahmen zu tun, die selten hinterfragt werden. Es ist eine große Aufgabe in der Paarberatung und Mediation, diese oftmals unbewussten Ideen offenzulegen und nach neuen Möglichkeiten zu suchen, wie Realitäten und Rollen unterstützend und zugewandt konstruiert werden können.