Seit einigen Tagen ist in der ARD Mediathek der Film „Weil du mir gehörst“ (2019) zu sehen.
Im Film wird die erschütternde Geschichte der kleinen Anni erzählt, die durch die Mutter ihrem Vater entfremdet wird. Es ist eine tragische Geschichte, die möglicherweise extrem wirkt, aber leider öfter vorkommt, wie man sich das wünschen mag. In der Praxis gibt es auch zahlreiche Fälle, die unterhalb der hier dargestellten Aggressionsschwelle liegen, aber für die Kinder dennoch eine schwere Belastung sind.
Der Film zeigt auch das deutsche Rechts- und Jugendhilfesystem mit all seinen Unzulänglichkeiten. Insbesondere die Idee, dass eine Alleinerziehung durch einen Elternteil „normal“ oder sogar „im Sinne des Kindeswohls“ sei, entfaltet im Film ihre volle Wucht. Es fehlt in Deutschland eine klare Positionierung zur gemeinsamen Elternschaft und eine damit verbundene Sanktionierung von Verhalten, das diesem Ziel schadet.
Das im Film erwähnte „Eltern-Kind-Entfremdungssyndrom“ mag in der Wissenschaft teilweise als zu ungenau definiert umstritten sein, doch muss man diese Argumentation gar nicht bemühen, um den elterlichen Auftrag klar zu haben. Die ACE Studie aus 1998 (Vincent Felitti, Robert Anda) hat unbestritten gezeigt, dass bereits die Trennung der Eltern ein wesentlicher Faktor für die Vorhersage von psychischen Herausforderungen und chronischen physischen Krankheiten im Erwachsenenalter ist. Je mehr Faktoren zusammenkommen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung des Kindes im späteren Leben. Weitere Faktoren sind emotionale Misshandlung, Suchtmittel bei Elternteilen, Vernachlässigung etc. Es ist wichtig, zu sehen, dass der alleinerziehende Elternteil sozial und psychisch in einem erhöhten Stressniveau lebt und daher auch für psychische Probleme anfällig ist. Das hat dann wieder negative Auswirkungen auf die Kinder. Demgegenüber zeigen Untersuchungen, dass die Lebensqualität bei gemeinsam getrennt erziehenden gegenüber alleine erziehenden Elternteilen signifikant steigt. Das bedeutet, dass auch bei getrennten Eltern gemeinsame Erziehung zu einem höherem persönlichen Wohlbefinden führt.
Die Grundidee, dass Eltern, unabhängig von ihrem Status als Paar, gemeinsam erziehen, unterstützt also einen positiven Feedback-Kreis, der dem Kind zugutekommt. Den Institutionen im Film scheint dies nicht bewusst zu sein, und das widerspiegelt leider die derzeitige Praxis an vielen Ämtern und Gerichten.
Eine sehr erhellende detaillierte Untersuchung des Films unter psychologischer Perspektive gibt es vom Kimiss-Institut Tübingen.
Es ist deshalb so wichtig, dass Eltern in Konfliktsituationen frühzeitig Beratung und Unterstützung aufsuchen mit dem klaren Ziel, die gemeinsame Elternschaft zu realisieren. Ich habe großen Respekt vor allen getrennt erziehenden Eltern. Ich bin mir sehr bewusst, wie schwierig diese Aufgabe ist. Wir als Gesellschaft sollten getrennt erziehende Eltern unterstützen, denn gesunde Kinder sind letztlich für uns alle eine große Ressource.
Ich wünsche mir, dass der Film uns dazu anregt, nach Lösungen für Elternkonflikte jenseits der bisher üblichen Methodik zu suchen.
Vielen Dank lieber Martin !