Es sieht ganz danach aus, dass Harmonie und Gleichklang in unserer Vorstellung einer gut funktionierenden Beziehung überbetont wird. Zum einen ist es unter Menschen schwierig, diese Ziele dauerhaft herzustellen. Zum anderen führt eine Erwartungshaltung, dass das möglich ist, zu Stress und Frustration.
Die Forschung von Ed Tronick und Claudia Gold stützt die Vermutung, dass viel wichtiger die Erfahrung der Reparatur, also des „Wieder-in-Beziehung-Kommens“ ist. Aus der jahrzehntelangen Forschung zu Entwicklung von Beziehungen zwischen Kleinkindern und ihren Hauptbeziehungspersonen hat sich erstaunliches ergeben. Das Verhältnis zu Harmonie und Disharmonie liegt weit von unserem Idealbild entfernt: tatsächlich ist Disharmonie der Normalfall. In den Experimenten wurde die Disharmonie auf ca. 70% der verbrachten Zeit ermittelt.
Trotzdem sind die untersuchten Beziehungen gut. Woran liegt das? Die allermeisten Disharmonien wurden ziemlich schnell nach ihrem Auftreten „repariert“, das heißt dass sich die Bezugsperson schnell bemüht, eine Verbindung wieder herzustellen. Das Ergebnis ist, dass für die Entwicklung guter Beziehung nicht ständige Harmonie erforderlich ist, sondern im Gegenteil Disharmonie mit anschließendem Reparaturprozess. „Repair is where the Action is“.
Das Baby erlebt in diesen Reparaturprozessen den Umgang mit Disharmonie und Vertrauen darin, dass eine Wiederherstellung der verlorenen Verbindung möglich ist. Damit wird Frustration und das Erleben von Hilflosigkeit vermieden.
Diese Erkenntnisse lassen sich auf unsere romantischen Beziehungen übertragen. Auch diese wachsen, indem es uns gelingt, Disharmonien wiederholt zu bearbeiten. Eine überzogene Erwartung an ein automatisches Gelingen von Beziehung ist hier nicht hilfreich. Vielmehr kann es uns beruhigen, zu wissen, dass Disharmonie verhältnismäßig häufig passiert und eigentlich der Normalfall ist. Das ist zunächst nicht falsch.
Wichtig ist, dass die Disharmonien bearbeiten werden. Entscheiden ist, dass das Paar miteinander in einen Austausch kommen kann, verbal oder anders, um sich wieder miteinander zu verbinden. Selbstverständlich gibt es Disharmonien, die so stark oder so häufig sind, dass die Bezihung insgesamt in Frage gestellt werden muss. Nichtsdestotrotz: wichtig ist die Reparatur nach dem Erleben eines Problems oder einer Herausforderung.
Ich möchte hier dazu anregen, mit weniger hohen „romantischen“ Erwartungen in die Beziehung zu gehen. Wo und durch welche Erfahrungen gelingt es uns, Intimität, Resilienz und Vertrauen aufzubauen? „Repair is where the Action is.“